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Kostenerstattungsverfahren
Wissenswertes zum Kostenerstattungsverfahren für gesetzlich versicherte Patienten zur Aufnahme einer Psychotherapie in einer psychotherapeutischen Privatpraxis.

Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Was ist das Kostenerstattungsverfahren?
Grundlegend handelt es sich bei dem Kostenerstattungsverfahren um ein Verfahren, bei dem die entstehenden Kosten für eine Psychotherapie in einer Privatpraxis den Patient:innen durch ihre gesetzliche Krankenversicherung erstattet werden. Dieses Verfahren kann zur Anwendung kommen, wenn gesetzlich versicherte Patienten trotz intensiver Bemühungen keinen Therapieplatz in einer psychotherapeutischen Praxis mit Kassenzulassung in zumutbarer Zeit (3 Monate) und oder in einer örtlich angemessenen Entfernung finden. In diesem Fall kommt es zum sogenannten „Systemversagen“. Das bedeutet, dass die gesetzliche Krankenversicherung nicht ihren gesetzlichen Auftrag erfüllt und deshalb dazu verpflichtet ist, die Kosten für eine notwendige Psychotherapie auch bei nicht kassenzugelassenen Psychotherapeuten zu erstatten (§13 Abs. 3 SGB V).
Unbedingte Voraussetzungen für die Möglichkeit diese privaten Leistungen in Anspruch zu nehmen sind, dass der in Privatpraxis tätige Psychotherapeut über eine Approbation verfügt, die sogenannte „Unaufschiebbarkeit“ bzw. Dringlichkeit der Leistung und dass die Krankenkasse nicht in der Lage ist, die Behandlung bei einem kassenzugelassenen Psychotherapeuten „rechtzeitig“ zu beschaffen.

Ablauf
Schritte zum Therapieplatz
Um einen Therapieplatz über das Kostenerstattungsverfahren zu erhalten, müssen Sie einige Punkte berücksichtigen.
Schritt 1
Besuch einer Sprechstunde bei einer kassenzugelassenen psychotherapeutischen Praxis (Voraussetzung seit der neuen Psychotherapie-Richtlinie 2017) und Ausstellung einer Bescheinigung (sog. PTV 11-Formular), wenn diese Ihnen keinen Therapieplatz anbieten kann. Es ist hilfreich, wenn die Bescheinigung eine Empfehlung für eine sog. „Richtlinienpsychotherapie“ sowie einen Dringlichkeitscode und eine Verdachtsdiagnose enthält.
Schritt 2
Kontaktieren Sie die 10 bis 20 kassenzugelassene Praxen für Psychotherapie und/ oder die Terminservicestelle (Tel. 116 117) und fragen Sie nach einem Platz für eine Richtlinien-Psychotherapie.
Schritt 3
Dokumentieren Sie genau, welche Auskünfte Ihnen bezüglich eines Therapieangebotes gegeben werden. Sie sollten hierfür ein Protokoll mit folgendem Inhalt führen: Name der Praxis, Datum und die Uhrzeit des Telefongesprächs oder der E-Mail, ggf. die angegebene Wartezeit auf einen Therapieplatz).
Schritt 4
Wenn Sie in den kommenden 3 Monaten nach Ausstellungsdatum der PTV-11-Bescheinigung keinen Therapieplatz in einer Kassenpraxis gefunden haben, können Sie den Antrag auf Kostenerstattung mit den benötigten Unterlagen an Ihre Krankenkasse stellen. Sie reichen Ihre Unterlagen zur Beantragung der Kostenerstattung bei der Privatpraxis ein und diese beantragt anschließend die Kostenerstattung.
Tipp
Betonen Sie bei Ihrer Krankenkasse die Dringlichkeit, erläutern Sie ihre vergeblichen Anstrengungen auf der Suche nach einem Therapieplatz bei einem Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin mit Kassenzulassung und verweisen Sie auf das PTV-11-Formular aus der psychotherapeutischen Sprechstunde.

Unterlagen
Welche Unterlagen werden für ein Kostenerstattungsverfahren benötigt?
Da es kein standardisiertes Verfahren für die Beantragung der Kostenerstattung gibt, ist es je nach Kasse grundsätzlich unterschiedlich, welche Unterlagen genau benötigt werden. Sie sollten sich daher zunächst bei Ihrer Krankenkasse erkundigen, welche Vorgaben für das Kostenerstattungsverfahren gelten. Bitten Sie – am besten schriftlich – um eine Beratung und fragen Sie die Sachbearbeiter Ihrer Krankenkasse, wie Sie erfolgreich Ihren Antrag auf Kostenerstattung für eine Psychotherapie stellen können.
Grundsätzlich genügt für die Antragstellung ein individuelles, formloses Schreiben, in dem Sie Ihre Krankenkasse um die Übernahme der Kosten für eine ambulante Psychotherapie bei einem Psychotherapeuten ohne Kassenzulassung (Privatpraxis) bitten und begründen, weshalb Sie eine sog. „außervertragliche“ psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen möchten. Diesem sollten Sie folgende Belege beifügen:
Behandlungsempfehlung (PTV-11-Formular)
Behandlungsempfehlung für eine zeitnahe Psychotherapie aus der psychotherapeutischen Sprechstunde in einer Kassenpraxis.
Liste über Ihre Bemühungen um einen Therapieplatz
Schriftlicher Nachweis über Ihre gescheiterten Versuche einen Therapieplatz bei kassenzugelassenen Psychotherapeuten zu erhalten. Komplette Auflistung der Anfragen und Ablehnungen mit Datum und Ergebnis, möglichen Wartezeiten, Vermittlungsversuchen der Terminservicestelle etc.).
Bescheinigung der psychotherapeutischen Praxis
Bescheinigung einer Privatpraxis für Psychotherapie, dass Ihre Behandlung dort kurzfristig beginnen kann.
Dringlichkeitsbescheinigung
Nach Möglichkeit zusätzlich eine Dringlichkeitsbescheinigung von der kassenzugelassenen Praxis in der Sie die psychotherapeutische Sprechstunde wahrgenommen haben, oder einem behandelnden Facharzt für Psychiatrie oder Ihres Hausarztes.
Ablehnung
Was kann ich tun, wenn mein Antrag auf Kostenerstattung abgelehnt wird?
Zunächst sollten Sie immer auf einen schriftlichen Ablehnungsbescheid bestehen. Anschließend sollten Sie innerhalb der einmonatigen Frist Widerspruch einlegen und ggf. eine spezialisierte Anwaltskanzlei einschalten. Nach eingereichtem Widerspruch hat die Krankenkasse drei Monate Zeit darüber zu entscheiden. Verstreicht diese Frist, haben Sie die Möglichkeit eine sogenannte Untätigkeitsklage vor dem Sozialgericht einzureichen, welche in den meisten Fällen Erfolg hat. Folgt eine Ablehnung des Widerspruchs, besteht die Möglichkeit einer Klage vor dem Sozialgericht. Dabei handelt es sich jedoch um langwierige Verfahren, welche allerdings kostenlos und ohne Anwalt zu bestreiten sind. Es sollte abgewogen werden, ob eine Beschwerde an das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) oder ein Brief an den Vorstand der Krankenkasse eingereicht werden sollte.
In Einzelfällen, wenn sich bei Ihnen z. B. neue Aspekte ergeben haben, die im ersten Antrag noch keine Rolle spielten, kann es sinnvoll sein, nach einer Ablehnung einfach einen neuen Antrag zu stellen.


Abrechnung
Wie erfolgt die Abrechnung beim Kostenerstattungsverfahren?
Wurde Ihr Antrag genehmigt, werden die psychotherapeutischen Leistungen, anders als bei kassenzugelassenen Praxen, direkt über Sie abgerechnet. Die Rechnung wird folgend von Ihnen bei ihrer Krankenkasse eingereicht und von dieser erstattet. Um dies zu vereinfachen, besteht auch die Möglichkeit, mithilfe einer sog. Abtretungserklärung, die Kostenabwicklung direkt durch die Praxis mit der Krankenkasse erfolgen zu lassen.