Essstörungen
Wissenswertes über Essstörungen im Allgemeinen, die verschiedenen Arten von Essstörungen sowie die psychotherapeutische Behandlung von Essstörungen.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Was ist eine Essstörung?
Fast jeder hat bereits einmal im Leben den Wunsch gehabt, abzunehmen oder eine Diät ausprobiert. Viele Menschen haben den Wunsch nach Selbstoptimierung, beschäftigen sich stark mit dem eigenen Aussehen oder streben danach Gewicht zu verlieren. Auch in der Werbung und den sozialen Medien wird das Schönheitsideal eines schlanken, durchtrainierten Körpers tagtäglich platziert.
Die Entwicklung einer Essstörung ist häufig ein schleichender Prozess, bei dem die Beschäftigung mit dem eigenen Körper Stück für Stück zunimmt. Die Themen Figur und Gewicht nehmen immer mehr Raum ein, die Nahrungsaufnahme wird eingeschränkt und es kann zu Essanfällen kommen.
Wenn die Lebensmittelaufnahme mit anhaltendem Grübeln, strikten Regeln und angstbesetzten Gefühlen einhergeht, spricht man von einer diagnostizierbaren Essstörung. Essstörungen sind ernstzunehmende Krankheiten, die mit einem hohen Leidensdruck einhergehen und nach und nach den gesamten Alltag der betroffenen Menschen vereinnahmen. Essstörungen verlaufen oft langjährig und haben negative Auswirkungen auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Lebensbereichen. Aus Scham ziehen sich Betroffene häufig zurück und isolieren sich. Kontakte zu Freunden und Familie sind meist stark reduziert und konfliktbehaftet. Darüber hinaus können sich Essstörungen sehr negativ auf die körperliche Gesundheit auswirken. Bei längerfristigen Erkrankungen kann es zu irreparablen Schäden wie z. B. Herzerkrankungen kommen.
Entstehung
Wie entsteht eine Essstörung?
Bei der Entstehung von Essstörungen spielen viele unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Von Bedeutung sind hier u. a. das gesellschaftlich vorherrschende Schlankheitsideal und die hohen gesellschaftlichen Erwartungen an den Einzelnen. Auch die Präsenz von bestimmten idealisierten Körperbildern in den Medien und persönliche Faktoren wie z. B. Konflikte in der Familie, Selbstwertprobleme, soziale Ängste oder Traumata können eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung einer Essstörung spielen. Bei vielen betroffenen Menschen entsteht die Essstörung auch als Weg zum Umgang mit belastenden Gefühlen wie Angst oder Traurigkeit und dient der sogenannten Emotionsregulation.
Essstörungen sind ernstzunehmende psychische Erkrankungen, die schwerwiegende körperliche Auswirkungen haben können. Junge Mädchen und Frauen sind überproportional häufig von Essstörungen wie Anorexie und Bulimie betroffen. Bei der Binge Eating Störung ist das Geschlechterverhältnis von Männern und Frauen ausgeglichener. Häufig zögern jedoch vor allem betroffene Männer sich in therapeutische Behandlung zu begeben.
Bei vielen betroffenen Menschen entsteht die Essstörung auch als Weg zum Umgang mit belastenden Gefühlen wie Angst oder Traurigkeit und dient der Emotionsregulation.
Angehörige
Wie können Angehörige Betroffenen von Essstörungen helfen?
Für Angehörige ist das abnorme Essverhalten häufig schwer verständlich und befremdlich. Viele betroffene Menschen ziehen sich sehr von ihrem Umfeld zurück. Durch diese soziale Isolation ist es schwer, an Betroffene heranzutreten und sie zu unterstützen. Durch das wiederholte Thematisieren und Kommentieren des Essverhaltens können zudem Konflikte und Spannungen entstehen. Angehörige sollten Betroffenen bei dem Wunsch einer Behandlung unterstützend zur Seite stehen.
Formen der Essstörungen
Welche Arten von Essstörungen gibt es?
Die verschiedenen Essstörungen können sich in ihrem Erscheinungsbild und der Art und Weise ihres Auftretens stark unterscheiden. Die verschiedenen Essstörungen sind nicht immer eindeutig voneinander unterscheidbar, Mischformen können auftreten. Es gibt unterschiedliche Arten von Essstörungen, wie Magersucht oder Anorexie (Fachbegriff Anorexia Nervosa), Ess-Brech-Sucht oder Bulimie (Fachbegriff Bulimia Nervosa) sowie die Binge-Eating Störung, die durch häufige Essanfälle gekennzeichnet ist.
Anorexia nervosa | Magersucht
Bei der Anorexia nervosa kommt es zu einem absichtlich herbeigeführten Gewichtsverlust bis hin zu einem starkem Untergewicht. Viele Betroffene nehmen nur sehr unregelmäßig und sehr reduziert Mahlzeiten zu sich und vermeiden hochkalorische Lebensmittel. Neben dem Hungern zeigen viele Betroffene eine übermäßige körperliche Aktivität, sowie den Gebrauch von Abführmitteln und Erbrechen, um einer möglichen Gewichtszunahme entgegenzuwirken. Viele betroffene Menschen haben große Angst vor einer Gewichtszunahme, obwohl sie bereits ein Untergewicht aufweisen. Häufig leiden Personen mit Anorexie unter einer sogenannten Körperschemastörung. Das bedeutet, dass sie ihren Körper trotz des Untergewichts als zu dick empfinden und weiter abnehmen möchten.
Die selbst herbeigeführte Mangelernährung führt zu einer Vielzahl von körperlichen und psychischen Symptomen. Körperlich können z. B. Herzrhythmusstörungen, Menstruationsstörungen sowie Knochenstoffwechselstörungen wie Osteoporose auftreten. Durch das starke Untergewicht ist der Körper häufig in einem schlechten Allgemeinzustand. Psychisch geht eine Anorexie häufig mit einem hohen Leidensdruck sowie einer zusätzlich auftretenden Depression einher. Eine Anorexie tritt am häufigsten bei jungen Mädchen und Frauen um die Pubertät auf und verläuft häufig langjährig.
Bulimia nervosa | Bulimie | Ess-Brech-Sucht
Patienten mit Bulimie leiden unter wiederkehrenden Heißhungerattacken (sogenannte Essanfälle) gefolgt von Verhaltensweisen zur Gewichtsreduktion wie Erbrechen, Sport oder Abführmittelkonsum. Sie beschäftigen sich sehr mit den Themen Figur und Gewicht und haben große Angst vor einer Gewichtszunahme.
Bei einem Essanfall kommt es zum Verzehr von größeren Mengen an Nahrung innerhalb eines begrenzten Zeitraums. Betroffene Menschen haben bei den Essanfällen das Gefühl, die Kontrolle über die Art und Menge der konsumierten Speisen zu verlieren. Verzehrt werden meist hochkalorische Lebensmittel, die sich die Betroffenen sonst verbieten. Im Anschluss an Essanfälle wird versucht einer Gewichtszunahme z. B. durch selbstbeigeführtes Erbrechen, exzessiven Sport oder die Einnahme von Abführmitteln entgegenzuwirken. Durch diese gegensteuernden Maßnahmen kann es zu einer Vielzahl von psychischen und körperlichen Symptomen kommen, z. B. Zahnschäden, Wassereinlagerungen, Magenfunktionsstörungen, Elektrolyt- und Nierenfunktionsstörungen. Von der Erkrankung sind am häufigsten Mädchen und junge Frauen um die Pubertät betroffen.
Binge Eating Störung
Bei der Binge Eating Störung kommt es zu wiederkehrenden Essanfällen, die gekennzeichnet sind durch den übermäßigen Verzehr von hochkalorischen Lebensmitteln in einem begrenzten Zeitraum. Betroffene Menschen erleben meist einen Kontrollverlust bezogen auf die Art und Menge der konsumierten Lebensmittel. Essen findet häufig auch ohne Hungergefühl statt. Vielfach schämen sich betroffene Menschen wegen der Essanfälle, weshalb diese häufig im Verborgenen stattfinden. Da nachfolgend meist keine gegensteuernden Maßnahmen eingesetzt werden, erleben viele Betroffene eine Gewichtszunahme im Verlauf der Erkrankung und Übergewicht/Adipositas ist eine häufige Begleiterscheinung. Personen mit Binge-Eating Störung haben ein erhöhtes Risiko für körperliche Folgeerkrankungen, die auch mit Adipositas assoziiert sind, z. B. Diabetes Mellitus oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Behandlung
Psychotherapie von Essstörungen
Es gibt verschiedene psychotherapeutische Behandlungsansätze bei Essstörungen, wobei Behandlungen mit verhaltenstherapeutischem Ansatz am besten in Studien auf ihre Wirksamkeit untersucht worden sind. Je nach Schweregrad der Essstörung können Betroffene zusätzlich zu einer Psychotherapie auch mit ärztlich verordneten Medikamenten behandelt werden. Die Therapie von Essstörungen kann abhängig von der Schwere der Erkrankung in einer Fachklinik für Essstörungen oder ambulant im Rahmen einer Psychotherapie erfolgen.
Ablauf
Der Ablauf einer Psychotherapie bei Essstörungen
Eine Psychotherapie bei Essstörungen erfolgt in mehreren Behandlungsschritten und muss immer individuell an die jeweilige Person und das vorliegende Störungsbild angepasst werden. Ziel der Behandlung ist es, das Essverhalten zu normalisieren und eine positivere Beziehung zum eigenen Körper aufzubauen. Es ist wichtig, die für die Essstörung auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen zu identifizieren und zu verändern, um einen langfristigen Therapieerfolg zu gewährleisten.
Schritt 1
Am Anfang einer kognitiven Verhaltenstherapie bei Essstörungen steht die Informationsvermittlung über die jeweilige Essstörung. Betroffene sollen verstehen, welche Faktoren ihre Essstörung ausgelöst haben und sie aufrechterhalten, wie z. B. bei familiären Konflikten oder Mobbingerfahrungen. Mit Hilfe von gemeinsam erarbeiteten Therapiezielen soll die Therapiemotivation gestärkt werden.
Schritt 2
Im nächsten Schritt liegt der Fokus auf der genauen Erfassung und anschließenden Veränderung des Essverhaltens (regelmäßige Mahlzeiten Struktur, Aufbau eines ausgewogenen und gesunden Essverhaltens, Abbau von Essen oder Nicht-Essen als Strategie zur Gefühlsregulation). Auch die Motivationsstärkung steht weiter im Vordergrund, um Betroffene dabei zu unterstützen, ihr Essverhalten zu verändern.
Schritt 3
Zum Abschluss der psychotherapeutischen Intervention werden Strategien zur Vermeidung eines Rückfalls erarbeitet. Hier wird fortlaufend an einer Normalisierung des Essverhaltens sowie an alternativen Strategien zur Gefühlsregulation gearbeitet.